eine sammlung.

1984

Der Planet Trillaphon im Verhältnis zur Üblen Sache

Der Planet Trillaphon im Verhältnis zur Üblen Sache – und die Erkenntnis, dass beide Alternativen nicht zufriedenstellend sind. Aber mit der einen kann man wenigstens überleben.

David Foster Wallace schildert in seinem bereits 1984 in einer Studentenzeitschrift veröffentlichten Essay, wie es sich anfühlt, mit einer Depression zu leben. Eindrücklich und in seiner lockeren Art teilweise erdrückend und verstörend.

Der ich-Erzähler, der zwar nicht mit dem Autor gleichzusetzen ist, aber bestimmt auch von ihm beeinflusst ist, verspürt die ersten Anzeichen der Depression bereits in der Highschool. Es beginnt mit der Halluzination einer klaffenden Fleischwunde im Gesicht, die er mit “[jeder Menge zackigen unprofessionellen Stichen] aus leuchtend orangem Teppichgarn” näht. Mit dem Ergebnis, dass ihm und seinen Eltern klar wird “dass der Steppke hier Probleme hat”. Nach einem Krankenhausaufenthalt beginnt er statt mit der Universität ein zusätzliches Schuljahr. Und mit ihm beginnen auch die Neurosen: Übelkeit, grundloses Weinen, Angstzustände und die Unerträglichkeit von Stille. Mit dem Start des Studiums ist die Verzweiflung, die “Üble Sache”, die Depression schon so weit gereift, dass es zur “reinen Formsache wird”, als er “ungefähr dreitausend Elektrogeräte” in die Badewanne zieht – auch wenn das Ergebnis nicht das gewollte ist. Der Tod tritt nicht ein, stattdessen muss er Antidepressiva nehmen.

Die ganze Entwicklung und die tragischen Vorfälle schildert der ich-Ezähler mit einer Lässigkeit und einem Abstand als ginge es um den Einkauf nach der Arbeit. Und genau das macht es für den Leser so eindrücklich, der sich bei verschönernden Äußerungen wie dem “hübschen kleinen Schlag” und Verharmlosungen, bei denen seine Eltern “nicht gerade begeistert” über den Selbstmordversuch sind, ein Lachen nicht verkneifen kann. Das aber im Halse stecken bleibt und einen schalen Geschmack des bitteren Ernstes zurücklässt. Und es wird klar, dass die Entscheidung zwischen einem Leben mit tiefer Traurigkeit und einem Leben, bei dem man “die Erde verlässt”, nicht leicht fällt. Da steht das Gefühl, keine Luft zu bekommen, zu ertrinken, zu ersticken, in ein tiefes Loch zu fallen und doch nicht voranzukommen einem Zustand gegenüber, in dem man sich fühlt, wie auf einem anderen Planeten, Trillaphon, auf dem man schneller müde wird, der Boden nicht ganz horizontal ist und die Konzentration schwer fällt. Eine Übelkeit, die einen und die Fähigkeit, am Leben zu bleiben außer Gefecht setzt einem Zustand, in dem es schwerfällt zu lesen und die Hirnstimme klingt, “als käme sie aus einem Lautsprecher”. Die Medikamente helfen gegen die Üble Sache, sie helfen, am Leben zu bleiben und lassen einen doch nicht dort wohnen, wo alle anderen wohnen, sein, wie die anderen sind.

So endet Wallace’ mit einem halben Satz, der die Ausweglosigkeit der Situation widerspiegelt – die Fremdbestimmung durch die Krankheit oder durch die Medikamente. Und die den Leser zurücklässt mit dem Gefühl, ein bisschen mehr verstanden zu haben, was es heißt, eine Depression zu haben und mit dem Gefühl von Hoffnungslosigkeit.

«

»